SZ-Kostprobe Il Gattopardo Nachschlag

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
NACHSCHLAG: SZ-KOSTPROBE IL GATTOPARDO

“WENN WIR WOLLEN, daß alles bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, daß alles sich verändert”. Kein anderer Satz der italienischen Literatur scheint so sehr zum Leitmotiv einer ganzen Gesellschaft geworden zu sein wie dieses Wort des jungen man “Il Gattopardo”. Gemeint sind natürlich die Verhältnisse in Italien, wo wundersamerweise auch nach spektakulärsten Umwälzungen an der Spitze des Staates immer wieder die alten Machthaber stehen bleiben. Bei uns, im Land der Deutschmänner, sind auch seit ewigen Zeiten dieselben dran, doch verweigern sie sich beharrlicht dem Kitzel der Krisen. Bei soviel Eintopf mußten wir die Erlebnisgastronomie erfinden. Und die Italiener, allemal in München, haben im Laufe der Zeit kräftig daran gerührt. Sie haben Lokale eröffnet, glitzernd und gehoben wie Laufstege. Sie haben nach den (Michelin-)Sternen gegriffen.

IL GATTOPARDO in Schwabing wurde schon vor zwölf Jahren mit einer Kostprobe bedacht – und seitdem, wegen des stürmichen Andrangs, spontan nicht mehr betretbar. Der noch gut erhaltene Kollege schrieb damals eine Kritik von jungenhafter Begeisterung: “Das Gattopardo” hieß es, “trotz seines aristokratischen Namens – kein Luxusrestaurant; produziert wird hier im Grunde nichts weiter als jene Einfache, das bekanntlich so schwer zu machen ist”. Und das, möchte man unbedingt hinzufügen, den wirklichen Luxus in einem Restaurant darstellt. Doch diese hohe Kunst der einfachen Küche gibt es nicht mehr. Das kann Il Gattopardo auch nicht mehr leisten. Es bietet ein viel zu breites Angebot, für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel , vom gemischten Fischteller für zwei Personen bis zu den Spaghetti Napoletana. Und dennoch ist Il Gattopardo keiner der berüchtigten Wald- und Wiesen-Italiener geworden, was auch daran ersichtlich ist, daß es eine anspruchvoll gewordene Stammkundschaft hat (die seit einigen Jahren auf eine auffallene Weinkarte zurückgreifen kann, mit etlichen namhaften und kostbaren italienischen Tropfen). Man nimmt die röhrende Hirsche an den dicht behanhenen Wände mit heiterer Gelassenheit hin, ebenso gelegentliche Fehltritte der Küche. Einmal erlebten wir, wie  noch um 22:30Uhr mit größter Sorgfalt die Spaghetti Napoletana zubereitet wurden, das heißt: auf den Punkt al dente, in einer wunderbaren leichten Soße aus frischen geschälten Tomaten, Basilikum und Parmesanrasplen. Überhaupt die Nudeln: Von der Tageskarte probierten wir zarteste Lunette, eine Art Ravioli, gefüllt mit Käse und Rote Beete, in Mohn und zerlassene Butter. Das war – fürwahr – ein Gericht der Luxusklasse. Nicht wenige der einst beschriebenen Speisen haben wir wiederentdeckt. Schwer, aber sehr verführerisch die Nachspeisen, etwa die Beeren in Mascarpone. Nicht zuletzt dank der Kellner, die nur selten den Überblick und die Geduld verlieren, erscheint Il Gattopardo heute als ein ebenso ansprechender wie unkomplizierter Haus-Italiener. Ist das nichts, nach zwölf Jahren?
NICKI DEUTSCHMANN

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